Doppelfassungen
Leise
MELANCHOLIE
1. Fassung
Im Stoppelfeld ein schwarzer Wind gewittert.
Aufblühn der Traurigkeit Violenfarben,
Gedankenkreis, der trüb das Hirn umwittert.
Am Zaune lehnen Astern, die verstarben
Und Sonnenblumen schwärzlich und verwittert,
Gelöst in Schminken und Zyanenfarben.
Ein wunderlicher Glockenklang durchzittert
Reseden, die in schwarzem Flor verstarben
Und unsere Stirnen schattenhaft vergittert
Versinken leise in Zyanenfarben
Mit Sonnenblumen schwärzlich und verwittert
Und braunen Astern, die am Zaun verstarben.
Melancholia
MELANCHOLIE
1. Fassung
Bläuliche Schatten. O ihr dunklen Augen
Die lang mich anschaun im Vorübergleiten.
Guitarrenklänge sanft den Herbst begleiten
Im Garten aufgelöst in braunen Laugen.
Des Todes ernste Düsternis bereiten
Nymphische Hände, an Purpurbrüsten saugen
Verfallne Lippen und in braunen Laugen
Des Sonnenjünglings feuchte Locken gleiten.
Ein Stoppelfeld. Ein schwarzer Wind gewittert.
Aufblühn der Traurigkeit Violenfarben,
Gedankenkreis, der trüb das Hirn umwittert.
An Zäunen lehnen Astern, die verstarben
Und Sonnenblumen schwärzlich und verwittert;
Da schweigt die Seele grauenvoll erschüttert
Entlang an Zimmern, leer und dunkelfarben.
Verwandlung
1. Fassung
Des Herbstes Kühle: Ein Zimmer grau verhängt.
Hier zeigt sich Heiterkeit, ein tüchtig Leben
Des Menschen Hände tragen goldne Reben
In sanfte Augen Gott sich stille senkt.
Am Abend wandelt jener über Land.
Den Weg erfüllt der Eichen braunes Schweigen
Und immer sinken Blätter von den Zweigen
Die Seele friert im schwärzlichen Gewand.
Geruhiges vor einer Schenke spielt
Vom Munde ist die Bitternis gesunken
Hollunderfrüchte, Klänge, weich und trunken
Dem Einsamen folgt leise nach ein Wild.
Trübsinn
2. Fassung
In Schenken träumend oft am Nachmittag,
In Gärten früh vom Herbst verbrannt und wüst
Der trunkene Tod geht stumm vorbei und grüßt
In dunklem Käfig tönt ein Drosselschlag.
Aus solcher Bläue tritt ein rosig Kind
Und spielt mit seinen Augen schwarz und glatt.
Ein Goldnes tropft aus Zweigen mild und matt
In rotem Laubwerk aber spielt der Wind.
Schon glänzt Saturn. Im Dunkel rauscht der Bach
Und leise rührt des Freundes blaue Hand
Und glättet stille Stirne und Gewand.
Ein Licht ruft Schatten in Holländer wach.
Nähe des Todes
1. Fassung
Lange lauscht der Mönch dem sterbenden Vogel am Waldsaum
O die Nähe des Todes, die beinerne Stätte am Hügel
Der Angstschweiß der auf die wächserne Stirne tritt.
Der weiße Schatten des Bruders, der den Hohlweg herabläuft.
Der Abend ist in die dunklen Dörfer der Kindheit gegangen
Der Weiher unter den Weiden
Füllt sich mit den roten Gulden trauriger Herbste.
O die dicken Ratten im Stroh!
Der Blinde, der abends wieder am Weg steht
Die Stille grauer Wolken ist auf den Acker gesunken.
Spinnen verhangen die weißen Höhlen der Schwermut
Da aus des Einsamen knöchernen Händen
Der Purpur seiner nächtlichen Tage hinsinkt —
Leise des Bruders mondene Augen.
O schon lösen in kühleren Kissen
Vergilbt von Weihrauch sich der Liebenden schmächtige Glieder.
Im Spital
MENSCHLICHE TRAUER
1. Fassung
Die Uhr, die tief im Grünen zwölfe schlägt —
Die Fieberkranken packt ein helles Grausen.
Der Himmel glitzert und die Gärten brausen.
Ein wächsern Antlitz sich am Fenster regt.
Vielleicht, daß diese Stunde stille steht.
Vor trüben Augen bunte Bilder gaukeln
Im Takt der Schiffe, die im Strome schaukeln.
Am Gang ein Schwesternzug vorüberweht.
Und Wolken regen sich im blauen Wind,
Wie Liebende die sich im Schlaf umschlingen.
Vielleicht, daß um ein Aas dort Fliegen schwingen,
Vielleicht auch weint im Mutterschoß ein Kind.
Am Fenster welken Blumen warm und rot,
Die man dem schönen Knaben heute brachte.
Wie er die Hände hob und leise lachte.
Man betet dort. Vielleicht liegt einer tot.
Es scheint, man hört auch gräßliches Geschrei
Und sieht in schwülem Brodem Fratzen flimmern.
Klavierspiel tönt gedämpft aus hellen Zimmern.
Die Uhr im tiefen Grün schlägt plötzlich drei.
Ein schwarzer Zug schwebt wieder dort davon.
Dann hört man ferne noch Choräle klingen.
Vielleicht, daß auch im Saale Engel singen.
Im Garten flattert traumhaft weißer Mohn.
Menschliche Trauer
3. Fassung
Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt —
Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen.
Im Abendgarten morsche Bäume sausen;
Des Toten Antlitz sich am Fenster regt.
Vielleicht daß diese Stunde stillesteht.
Vor trüben Augen nächtige Bilder gaukeln
Im Takt der Schiffe, die am Flusse schaukeln;
Am Kai ein Schwesternzug vorüberweht.
Es scheint, man hört der Fledermäuse Schrei,
Im Garten einen Sarg zusammenzimmern.
Gebeine durch verfallne Mauern schimmern
Und schwärzlich schwankt ein Irrer dort vorbei.
Ein blauer Strahl im Herbstgewölk erfriert.
Die Liebenden im Schlafe sich umschlingen,
Gelehnet an der Engel Sternenschwingert,
Des Edlen bleiche Schläfe Lorbeer ziert.
Landschaft
1. Fassung
Septemberabend, oder die dunklen Rute der Hirten,
Geruch von Thymian. Glühendes Eisen sprüht in der Schmiede
Gewaltig bäumt sich ein schwarzes Pferd; die hyazinthene Locke der Magd
Hasch
Zu gelber Mauer erstarrt der Schrei des Rebhuhns verrostet in faulender Jauche ein Pflug
Leise rinnt roter Wein, die sanfte Guitarre im Wirtshaus.
O Tod! Der kranken Seele verfallener Bogen Schweigen und Kindheit.
Aufflattern mit irren Gesichtern die Fledermäuse
Elis
1. Fassung
Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.
Unter alten Eichen
Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.
Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.
An deinem Mund
Verstummten ihre rosigen Seufzer.
Am Abend zog der Fischer die leeren Netze ein.
Ein guter Hirt
Führt seine Herde am Waldsaum hin.
O wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.
Ein heiterer Sinn
Wohnt in der Winzer dunklem Gesang,
Der blauen Stille des Ölbaums.
Bereitet fanden im Haus die Hungernden Brot und Wein.
Hohenburg
1. Fassung
Leer und erstorben des Vaters Haus,
Dunkle Stunde
Und Erwachen im dämmernden Garten.
Immer denkst du das weiße Antlitz des Menschen,
Fern dem Getümmel der Zeit.
Über ein Träumendes neigt sich gerne grünes Gezweig;
Kreuz und Abend,
Umfängt den Tönenden mit purpurnen Armen sein Stern
Und das Läuten bläulicher Blumen<.>
Dezember
AM MOOR
1. Fassung
Der Mantel im schwarzen Wind; leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors. Am grauen Himmel
Folgt ein Zug von wilden Vögeln —
Quere über finsteren Wassern.
Durch kahle Birken gleiten die knöchernen Hände.
Knickt der Schritt in braunes Gehölz
Wo zu sterben ein einsames Tier wohnt.
Alte Weiblein kreuzten den Weg
Ins Dorf. Spinnen fielen aus ihren Augen
Und roter Schnee. Krähen und langes Glockengeläut
Geleitet den schwarzen Pfad, Endymions Lächeln
Und mondener Schlummer
Und die metallene Stirne tastet frierend durchs Haselgebüsch
Laß in der Schenke den Abend erwarten
Wohnen in purpurner Höhle des Weins,
Von der Tapete lautlos des Trunkenen Schatten sinkt.
Stundenlang fällt härener Schnee ans Fenster
Jagt den Himmel mit schwarzen Flaggen und zerbrochenen Masten die Nacht.
Am Moor
2. Fassung
Mantel im schwarzen Wind. Leise flüstert das dürre Rohr
In der Stille des Moors; am grauen Himmel
Ein Zug von wilden Vögeln folgt;
Quere über finsteren Wassern.
Knöchern gleiten die Hände durch kahle Birken,
Knickt der Schritt in braunes Gehölz,
Wo zu sterben ein einsames Tier wohnt.
Aufruhr. In verfallener Hütte
Flattert mit schwarzen Flügeln ein gefallener Engel,
Schatten der Wolke; und der Wahnsinn des Baums;
Schrei der Elster. Altes Weiblein kreuzt den Weg
Ins Dorf. Unter schwarzem Geäst
O was bannt mit Fluch und Feuer den Schritt
Stummes Glockengeläut; Nähe des Schnees<.>
Sturm. Der dunkle Geist der Fäulnis im Moor
Und die Schwermut grasender Herden.
Schweigend jagt
Den Himmel mit zerbrochnen Masten die Nacht.
Sommer
ABEND IN LANS
1. Fassung
Sommer unter kalkgetünchten Bogen,
Vergilbtes Korn, ein Vogel der ein und aus fliegt
Abend und die dunklen Gerüche des Grüns.
Roter Mensch, aufdämmerndem Weg, wohin?
Über einsamen Hügel, vorbei am knöchernen Haus
Über die Stufen des Walds tanzt das silberne Herz.
Erinnerung
VERWANDLUNG DES BÖSEN
1. Fassung (Fragment)
Stille wohnte in nächtiger Höhle das Kind lauschend in der blauen Woge des Quells dem Geläute einer strahlenden Blume. Und es trat aus verfallener Mauer die bleiche Gestalt der Mutter und sie trug in schlummernden Händen das Schmerzgeborne nachtwandelnd im Garten. Und es waren die Sterne Tropfen Blutes schimmernd im kahlen Geäst des alten Baumes und sie fielen in der Nächtigen härenes Haar, und es hob die purpurnen Lider leise der Knabe, seufzend die silberne Stirne im Nachtwind.
Wachend im Abendgarten im stillen Schatten des Vaters, o wie ängstigt dies strahlende Haupt duldend in blauer Kühle und das Schweigen in herbstlichen Zimmern. Ein goldener Kahn sank die Sonne am einsamen Hügel und es verstummen zu Häupten die ernsten Wipfel. Stille begegnet in feuchter Bläue das schlummernde Antlitz der Schwester, vergraben in ihr scharlachfarbenes Haar. Schwärzlich folgte jenem die Nacht.
Was zwingt so still zu stehen auf verfallener Wendeltreppe im Haus der Väter und es erlöscht in schmächtigen Händen der flackernde Leuchter. Stunde einsamer Finsternis, stummes Erwachen im Hausflur im fahlen Gespinst des Mondes. O das Lächeln des Bösen traurig und kalt, daß der Schläferin rosige Wange erbleicht. In Schauern verhüllte ein schwarzes Linnen das Fenster. Und es sprang eine Flamme aus jenes Herzen und sie brannte silbern im Dunkel, ein singender Stern <.> Schweigend versanken der Kindheit kristallene Pfade im Garten
Im Winter
EIN WINTERABEND
1. Fassung
Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
Lang die Abendglocke läutet,
Vielen ist der Tisch bereitet
Und das Haus ist wohlbestellt.
Mancher auf der Wanderschaft
Kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Seine Wunde voller Gnaden
Pflegt der Liebe sanfte Kraft.
O! des Menschen bloße Pein.
Der mit Engeln stumm gerungen,
Langt von heiligem Schmerz bezwungen
Still nach Gottes Brot und Wein.
Herbstseele
1. Fassung
Tief in Grünes die Sense mäht
Blaue Luft, vergilbte Garben.
Stimmen flogen auf, verstarben
Nur ein altes Wasser geht.
Abends geht die dunkle Fahrt
Über braune Herbsteshügel
Silbern grüßt ein Weiherspiegel
Schreit der Habicht hell und hart.
Abendspiegel
AFRA
1. Fassung
Ein Kind mit braunem Haar. Schwärzliche Flammen
Verscheucht ein Schritt in feuchter Abendkühle
In dunkelgoldner Sonnenblumen Rahmen;
Ein weiches Tier versinkt auf rotem Pfühle.
Ein Schatten gleitet beinern übern Spiegel
Und leise taucht aus blauer Astern Schweigen
Ein roter Mund, ein rätselvolles Siegel,
Und schwarze Augen strahlen aus den Zweigen
Des Ahorns, dessen tolle Röte blendet.
Die Mauer hat ein sanfter Leib verlassen,
Ein blauer Glanz, der in der Dämmerung endet.
Der Wind klirrt leise in den leeren Gassen.
Am offenen Fenster welken still die Stunden
Des Liebenden. Der Wolken kühne Fahrten
Sind mit dem Pfad des Einsamen verbunden.
Ein Blick sinkt silbern in den braunen Garten.
Die Hände rührt des Wassers düstre Regung.
Ein frommer Geist reift ins Kristallne, Klare.
Unsäglich ist der Vögel Flug, Begegnung
Mit Sterbenden; dem folgen dunkle Jahre.
Untergang
1. Fassung
Am Abend, wenn wir durch goldene Sommer nach Hause gehn
Sind die Schatten froher Heiliger mit uns.
Sanfter grünen die Reben rings, vergilbt das Korn
O mein Bruder, welche Ruh ist in der Welt.
Umschlungen tauchen wir in blaue Wasser,
Die dunkle Grotte männlicher Schwermut
Auf dürren Pfaden kreuzen die Wege Verwester sich,
Wir aber ruhn Beseligte im Sonnenuntergang.
Friede <?>, wo die Farben des Herbstes leuchten
Zu Häupten rauscht der Nußbaum unsre alten Vergangenheiten
2. Fassung
Wenn wir durch goldene Sommer nach Hause gehn
Sind die Schatten froher Heiliger um uns.
Sanfter grünen die Reben rings, vergilbt das Korn
O mein Bruder, welche Stille ist in der Welt
Zu Häupten rauscht der Ahorn unsere alten Vergangenheiten
Weht uns die Kühle blauer Wasser an,
Die dunklen Spiegel männlicher Schwermut
O mein Bruder, reift die Süße des Abends heran
Leise tönen die Lüfte am einsamen Hügel
Starb vor Zeiten
Dädalus<’> Geist in rosigen Seufzern hin
O mein Bruder, verwandelt sich dunkel die Landschaft der Seele
3. Fassung
Wenn wir durch unserer Sommer purpurnes Dunkel gehn
Treten die Schatten trauriger Mönche vor uns.
Schmächtiger glühen die Reben rings, vergilbt das Korn
O mein Bruder, welche Stille ist in der Welt.
Zu Häupten rauscht die Eiche unsre alten Vergangenheiten
Weht uns das Antlitz steinerner Wasser an,
Die runde Grotte männlicher Schwermut,
O mein Bruder reifen schwarze Rosenkranznächte herein.
Vergangener tönen die Lüfte am einsamen Hügel,
Eines Liebenden trunkenes Saitenspiel.
Unter Dornenbogen
O mein Bruder steigen wir blinde Zeiger gen Mitternacht
Am Hügel
GEISTLICHE DÄMMERUNG
1. Fassung
Still vergeht am Saum des Waldes
Ein dunkles Wild
Am Hügel endet leise der Abendwind,
Bälde verstummt die Klage der Amsel
Und die Flöten des Herbstes
Schweigen im Rohr.
Mit silbernen Dornen
Schlägt uns der Frost,
Sterbende <> wir <> über Gräber geneigt
Oben löst sich blaues Gewölk;
Aus schwarzem Verfall Treten
Gottes strahlende Engel
Wanderers Schlaf
DER WANDERER
1. Fassung
Immer lehnt am Felsen die weiße Nacht
Wo in Silbertönen die Föhre ragt
Stein und Sterne sind.
Über den Gießbach wölbt sich der knöcherne Steg
Folgt dem Schläfer die dunkle Gestalt der Kühle,
Sichelmond in rosiger Schlucht.
Ferne schlummernden Hirten. In altem Gestein
Schaut aus kristallenen Augen die Kröte
Erwacht der blühende Wind, die Silberstimme
Des Totengleichen
Leise sagend die vergessene Legende des Walds
Das weiße Antlitz des Engels
Leise umschmeichelt sein Knie der <...> Schaum des Wassers
Rosige Knospe
Des Singenden trauriger Vogelmund.
Ein schöner Glanz erwacht auf seiner Stirne
Stein und Stern
Darin der weiße Fremdling ehdem gewohnt.
Passion
1. Fassung
Wenn silbern Orpheus die Laute rührt,
Beklagend ein Totes im Abendgarten —
Wer bist du Ruhendes unter hohen Bäumen?
Es rauscht die Klage das herbstliche Rohr,
Der blaue Teich.
Weh, der schmalen Gestalt des Knaben,
Die purpurn erglüht,
Schmerzlicher Mutter, in blauem Mantel
Verhüllend ihre heilige Schmach.
Weh, des Geborenen, daß er stürbe,
Eh er die glühende Frucht,
Die bittere der Schuld genossen.
Wen weinst du unter dämmernden Bäumen?
Die Schwester, dunkle Liebe
Eines wilden Geschlechts,
Dem auf goldenen Rädern der Tag davonrauscht.
O, daß frömmer die Nacht käme,
Kristus.
Was schweigst du unter schwarzen Bäumen?
Den Sternenfrost des Winters,
Gottes Geburt
Und die Hirten an der Krippe von Stroh.
Blaue Monde
Versanken die Augen des Blinden, in härener Höhle.
Ein Leichnam suchest du unter grünenden Bäumen
Deine Braut,
Die silberne Rose
Schwebend über dem nächtlichen Hügel.
Wandelnd an den schwarzen Ufern
Des Todes,
Purpurn erblüht im Herzen die Höllenblume.
Über seufzende Wasser geneigt
Sieh dein Gemahl: Antlitz starrend von Aussatz
Und ihr Haar flattert wild in der Nacht.
Zwei Wölfe im finsteren Wald
Mischten wir unser Blut in steinerner Umarmung
Und die Sterne unseres Geschlechts fielen auf uns.
O, der Stachel des Todes.
Verblichene schauen wir uns am Kreuzweg
Und in silbernen Augen
Spiegeln sich die schwarzen Schatten unserer Wildnis,
Gräßliches Lachen, das unsere Münder zerbrach.
Dornige Stufen sinken ins Dunkel,
Daß röter von kühlen Füßen
Das Blut hinströme auf den steinigen Acker.
Auf purpurner Flut
Schaukelt wachend die silberne Schläferin.
Jener aber ward ein schneeiger Baum
Am Beinerhügel,
Ein Wild äugend aus eiternder Wunde,
Wieder ein schweigender Stein.
O, die sanfte Sternenstuiide
Dieser kristallnen Ruh,
Da in dorniger Kammer
Das aussätzige Antlitz von dir fiel.
Nächtlich tönt der Seele einsames Saitenspiel
Dunkler Verzückung
Voll zu den silbernen Füßen der Büßerin
Im verlorenen Garten;
Und an dorniger Hecke knospet der blaue Frühling.
Unter dunklen Olivenbäumen
Tritt der rosige Engel
Des Morgens aus dem Grab der Liebenden.
Vorhölle
1. Fassung der 1. Strophe
Am Saum des Waldes — es wohnen dort die Schatten der Toten —
Am Hügel sinkt ein goldener Kahn, der Wolken blaue Ruh
Weidend in der braunen Stille der Eichen. Härene Angst
Odmet das Herz, Kelch überfließend von purpurner Abendröte,
Dunkle Schwermut. Den Lauscher im Laub, ein Geistliches
Geleitet der Schritt den verfallenen Pfad hinab.
Nachweht Kühle aus klagendem Mund, als folgte ein schmächtiger Leichnam.
Abendland
1. Fassung (a)
Verfallene Weiler versanken
Im braunen November,
Die dunklen Pfade der Dörfler
Unter verkrüppelten
Apfelbäumchen, die Klage
Der Frauen im silbernen Flor.
Hinstirbt der Väter Geschlecht.
Es ist von Seufzern
Erfüllt der Abendwind
Dem Geist der Wälder.
Stille führet der Steg
Zu wolkigen Rosen
Ein frommes Wild am Hügel
Und es tönen
Die blauen Quellen im Dunkel
Daß ein Sanftes
Ein Kind geboren werde.
Leise verließ am Kreuzweg
Der Schatten den Fremdling
Und steinern erblinden
Dem die schauenden Augen,
Daß von der Lippe
Süßer fließe das Lied.
Denn es ist die Nacht
Die Wohnung des Liebenden,
Ist sprachlos das blaue Antlitz
Über ein Totes
Die Schläfe aufgetan;
Kristallner Anblick.
Dem folgt auf dunklen Pfaden
An Mauern hin
Ein Abgestorbenes nach.
Wanderschaft
ABENDLAND
1. Fassung (b)
So leise sind die grünen Wälder
Unserer Heimat
Die Sonne sinkt am Hügel
Und wir haben im Schlaf geweint;
Wandern wir mit weißen Schritten
An der dornigen Hecke hin
Singende im Ährensommer
Und Schmerzgeborne.
Schon reift dem Menschen das Korn
Und die heilige Rebe
Und in steinernem Zimmer,
Im kühlen ist bereitet das Mahl.
Auch ist dem Guten
Das Herz versöhnt in grüner Stille
Und Kühle hoher Bäume
Speise teilt er mit sanften Händen aus.
Vieles ist ein Wachendes
In der sternigen Nacht
Und schön die Bläue,
Schreitend ein Bleiches, Odmendes,
Ein Saitenspiel.
Gelehnt an den Hügel der Bruder
Und Fremdling,
Der menschenverlassene, ihm sanken
Die feuchten Lider
In unsäglicher Schwermut.
Aus schwärzlicher Wolke
Träufelt bitterer Mohn.
Mondesweiß schweiget der Pfad
An jenen Pappeln hin
Und balde
Endet des Menschen Wanderschaft,
Gerechte Duldung.
Auch freuet die Stille der Kinder,
Die Nähe der Engel
Auf kristallener Wiese.
Abendland
1. Fassung
ELSE LASKER-SCHÜLER IN VEREHRUNG
1
Verfallene Weiler versanken
Im braunen November,
Die dunklen Pfade der Dörfler
Unter verkrüppelten
Apfelbäumchen, die Klagen
Der Frauen im silbernen Flor.
Hinstirbt der Väter Geschlecht.
Es ist von Seufzern
Erfüllt der Abendwind,
Dem Geist der Wälder.
Stille führt der Steg
Zu wolkigen Rosen
Ein frommes Wild am Hügel;
Und es tönen
Die blauen Quellen im Dunkel,
Daß ein Sanftes,
Ein Kind geboren werde.
Leise verließ am Kreuzweg
Der Schatten den Fremdling
Und steinern erblinden
Dem die schauenden Augen,
Daß von der Lippe
Süßer fließe das Lied;
Denn es ist die Nacht
Die Wohnung des Liebenden,
Ist sprachlos das blaue Antlitz,
Über ein Totes
Die Schläfe aufgetan;
Kristallener Anblick;
Dem folgt auf dunklen Pfaden
An Mauern hin
Ein Abgestorbenes nach.
2
Wenn es Nacht geworden ist
Erscheinen unsre Sterne am Himmel
Unter alten Olivenbäumen,
Oder an dunklen Zypressen hin
Wandern wir weiße Wege;
Schwerttragender Engel:
Mein Bruder.
Es schweigt der versteinerte Mund
Das dunkle Lied der Schmerzen.
Wieder begegnet ein Totes
Im weißen Linnen
Und es fallen der Blüten
Viele über den Felsenpfad.
Silbern weinet ein Krankes,
Aussätziges am Weiher,
Wo vor Zeiten
Froh im Nachmittag Liebende geruht.
Oder es läuten die Schritte
Elis’ durch den Hain,
Den hyazinthenen,
Wieder verhallend unter Eichen.
O des Knaben Gestalt
Geformt aus kristallenen Tränen
Und nächtigen Schatten.
Anders ahnt die Stirne Vollkommenes,
Die kühle, kindliche,
Wenn über grünendem Hügel
Frühlingsgewitter ertönt.
3
So leise sind die grünen Wälder
Unserer Heimat,
Die Sonne sinkt am Hügel
Und wir haben im Schlaf geweint;
Wandern mit weißen Schritten
An der dornigen Hecke hin
Singende im Ährensommer
Und Schmerzgeborene.
Schon reift dem Menschen das Korn,
Die heilige Rebe.
Und in steinernem Zimmer,
Im kühlen, ist bereitet das Mahl.
Auch ist dem Guten
Das Herz versöhnt in grüner Stille
Und Kühle hoher Bäume.
Speise teilt er mit sanften Händen aus.
Vieles ist ein Wachendes
In der sternigen Nacht
Und schön die Bläue,
Schreitend ein Bleiches, Odmendes,
Ein Saitenspiel.
Gelehnt an den Hügel der Bruder
Und Fremdling,
Der menschenverlassene, ihm sanken
Die feuchten Lider
In unsäglicher Schwermut.
Aus schwärzlicher Wolke
Träufelt bitterer Mohn.
Mondesweiß schweigt der Pfad
An jenen Pappeln hin
Und balde
Endet des Menschen Wanderschaft,
Gerechte Duldung.
Auch freut die Stille der Kinder
Die Nähe der Engel
Auf kristallener Wiese.
4
Ein Knabe mit zerbrochener Brust
Hinstirbt Gesang in der Nacht.
Laß nur stille am Hügel gehn
Unter den Bäumen
Gefolgt vom Schatten des Wilds.
Süß duften die Veilchen im Wiesengrund.
Oder laß treten ins steinerne Haus,
Im gramvollen Schatten der Mutter
Neigen das Haupt.
In feuchter Bläue leuchtet das Lämpchen
Die Nacht lang;
Denn es ruht der Schmerz nicht mehr;
Auch sind die weißen Gestalten
Der Odmenden, die Freunde ferne gegangen;
Gewaltig schweigen die Mauern rings.
5
Wenn es auf der Straße dunkelt
Und es begegnet in blauem Linnen
Ein lange Abgeschiedenes,
O, wie schwanken die tönenden Schritte
Und es schweigt das grünende Haupt.
Groß sind Städte aufgebaut
Und steinern in der Ebene;
Aber es folgt der Heimatlose
Mit offener Stirne dem Wind,
Den Bäumen am Hügel;
Auch ängstet öfter die Abendröte.
Balde rauschen die Wasser
Laut in der Nacht,
Rührt die kristallenen Wangen
Eines Mädchens der Engel,
Ihr blondes Haar,
Beschwert von der Schwester Tränen.
Dieses ist oft Liebe: es rührt
Ein blühender Dornenbusch
Die kalten Finger des Fremdlings
Im Vorübergehn;
Und es schwinden die Hütten der Dörfler
In der blauen Nacht.
In kindlicher Stille,
Im Korn, wo sprachlos ein Kreuz ragt,
Erscheint dem Schauenden
Seufzend sein Schatten und Hingang.
An Mauern hin
IM DUNKEL
1. Fassung
Nimmer das goldene Antlitz des Frühlings;
Dunkles Lachen im Haselgebüsch. Abendspaziergang im Wald
Und der inbrünstige Schrei der Amsel.
Taglang rauscht in der Seele des Fremdlings das glühende Grün.
Metallne Minute: Mittag, Verzweiflung des Sommers;
Die Schatten der Buchen und das gelbliche Korn.
Taufe in keuschen Wassern. O der purpurne Mensch.
Ihm aber gleichen Wald, Weiher und weißes Wild.
Kreuz und Kirche im Dorf. In dunklem Gespräch
Erkannten sich Mann und Weib
Und an kahler Mauer wandelt mit seinen Gestirnen der Einsame<.>
Leise über den mondbeglänzten Weg des Walds
Sank die Wildnis vergessener Jagden.
Blick der Bläue aus verfallenen Felsen bricht.
Der Schlaf
1. Fassung
Getrost ihr dunklen Gifte
Erzeugend weißen Schlaf
Einen höchst seltsamen Garten
Dämmernder Bäume
Erfüllt von Schlangen, Nachtfaltern,
Fledermäusen;
Fremdling dein jammervoller Schatten
Schwankt, bittere Trübsal
Im Abendrot!
Uralt einsame Wasser
Versanken im Sand.
Weiße Hirsche am Nachtsaum
Sterne vielleicht <>!
Gehüllt in Spinnenschleier
Schimmert toter Auswurf.
Eisernes Anschaun.
Dornen umschweben
Den blauen Pfad ins Dorf,
Ein purpurnes Lachen
Den Lauscher in leerer Schenke.
Über die Diele
Tanzt mondesweiß
Des Bösen gewaltiger Schatten.
An
DIE HEIMKEHR
1. Fassung
HERBSTLICHE HEIMKEHR
1. Fassung (a)
Die Kühle dunkler Jahre, Schmerz und Hoffnung
Bewahrt dies braune Gebälk
Darüber flammend Georginen hangen.
Als sänke ein goldner Helm von blutender Stirne
Stille endet der Tag,
Schaut Kindheit sanft aus schwärzlichen Augen an.
Leise verstrahlen im Abend die roten Buchen,
Liebe, Hoffnung, daß von blauen Lidern
Tau tropft unaufhaltsam.
Einsame Heimkehr! Die dunklen Rufe der Fischer
Tönen immer am dämmernden Fluß;
Liebe, Nacht, der Schwermut kristallene Minuten
Hinüberschimmernd, Sterne, schon stilleres Anschaun
Im Schnee
NACHTERGEBUNG
1. Fassung
Der Wahrheit nachsinnen —
Viel Schmerz!
Endlich Begeisterung
Bis zum Tod.
Winternacht
Du reine Mönchin!
Anblick
NACHTERGEBUNG
2. Fassung
Da so rot der Herbst und leise
Unter Ulmen dunkle Qual
Dämmernd Dorf und Liebesmahl
Falke winkt auf goldner Reise.
Stirne blutet sanft und dunkel
Sonnenblume welkt am Zaun
Schwermut blaut im Schoß der Fraun;
Gottes Wort im Sterngefunkel!
Purpurn flackert Mund und Lüge.
In verfallnem Zimmer kühl,
Scheint nur Lachen, golden Spiel,
Daß ein Sturm dies Haupt zerschlüge
Nachts mit Blitzen; schwärzlich fallen
Faule Früchte nachts vom Baum.
Kind an deinem blauen Saum
Muß ich stumm vorüberwallen.
An die Nacht
NACHTERGEBUNG
3. Fassung
Mönchin schließ mich in dein Dunkel,
Kreuz im kühlen Stern gefunkel.
Purpurn brachen Mund und Lüge
Einer Glocke letzte Züge.
Nacht dein lüstern Wolkendunkel
Rote Frucht, verfluchte Lüge
Einer Glocke letzte Züge —
Blutend Kreuz im Sterngefunkel.
NACHTERGEBUNG
4. Fassung
Nymphe zieh mich in dein Dunkel;
Aster friert und schwankt am Zaun,
Schwermut blüht im Schoß der Fraun,
Blutend Kreuz im Sterngefunkel.
Purpurn brachen Mund und Lüge
In verfallner Kammer kühl;
Scheint noch Lachen, golden Spiel;
Einer Glocke letzte Züge.
Blaue Wolke! Schwärzlich fallen
Faule Früchte dumpf vom Baum
Und zum Grabe wird der Raum
Und zum Traum trüb’ Erdenwallen.